Angesichts zunehmender Unsicherheiten durch Kriege, Pandemien, neue gesetzliche Vorgaben, sich schnell verändernde Marktbedingungen, den Fachkräftemangel und innovative Technologien stehen Unternehmen vor großen Herausforderungen. Seit rund vierzig Jahren beschäftige ich mich beruflich sowohl in meiner unternehmerischen als auch in meiner akademischen Tätigkeit mit einer zentralen Frage: Welche Möglichkeiten gibt es, die Zukunftsfähigkeit von Familienunternehmen zu verbessern? Was können wir von den Besten lernen und was von denen, die ihre Aufgabe nicht erfüllen konnten und aus dem Markt ausgeschieden sind?
Sind langfristige Strategien für Familienunternehmen noch zeitgemäß?
Viele Unternehmen sind „strategiemüde“. Sie fragen sich, ob langfristige Strategien in einer sich schnell verändernden Welt noch sinnvoll sind. Die Realität zeigt, dass es jederzeit zu drastischen Änderungen kommen kann: Lieferketten bröckeln, Märkte gehen verloren. Sicherheit gibt es nicht (mehr) – sicher ist nur noch die Veränderung und darauf müssen wir uns einstellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Strategien überflüssig werden. Im Gegenteil, sie sind wichtiger denn je. Betriebe müssen strategisch vorausdenken, aber gleichzeitig flexibel genug sein, um ihre Strategie an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Ohne Strategie fehlt es einem Unternehmen an Sinn, Ziel und Weg. In Familienunternehmen geht es dabei um den Erhalt und das Wachstum der Firma für die Familie, zukünftige Generationen und die Mitarbeitenden. Alle strategischen Überlegungen zielen darauf ab, die Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu sichern und zu stärken.
Die Kernkompetenzen des Unternehmens sind das Fundament der Strategie, auf dem die Wettbewerbsvorteile gründen. Es gilt herauszuarbeiten, weshalb das Unternehmen einzigartig ist, was es von anderen Marktteilnehmern unterscheidet und welche Vorteile gegenüber den Wettbewerbern bestehen. Doch Kernkompetenzen sind kein bequemes Ruhekissen. Sie müssen stets neu ausgerichtet werden, um auch unter veränderten Marktbedingungen Kundennutzen zu schaffen.
Überleben durch Veränderung und nachhaltige Innovation
Unternehmen mussten sich schon immer an neue Gegebenheiten anpassen. Allerdings hatten sie in der Vergangenheit oft Jahrzehnte Zeit für die Anpassung – Veränderungen erfolgten evolutionär. Mit der rasanten Entwicklung und Verbreitung digitaler Technologien können Veränderungen nun revolutionär, von heute auf morgen geschehen. Darauf müssen sich Unternehmen einstellen, wenn sie überleben wollen. Sie müssen agil und veränderungsbereit sein.
In der Natur ist das oberste Ziel, zu überleben. Dies gilt auch für Unternehmen, besonders für Familienunternehmen, die bekanntlich in Generationen und nicht in Quartalen denken. Das Ziel erfolgreicher Familienunternehmen ist die Zukunftsfähigkeit, die nur durch Innovation erreichbar ist. Besonders nachhaltige Innovation wird künftig die größten Chancen bergen. Nachhaltigkeit ist unverzichtbar und wird von immer mehr Stakeholdern eingefordert. Mittelständische Unternehmen können die Welt nicht allein retten, doch es ist nicht zu unterschätzen, welche Auswirkungen die Reputation im Kontext der Nachhaltigkeit auf Unternehmen und Marke hat. Neben der klugen Ausrichtung von Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen kann auch der Unternehmenssitz ein Zeichen für Nachhaltigkeit setzen. Vor allem für mittelständische Familienunternehmen ist ein Bauvorhaben – sei es ein Neubau oder die Revitalisierung des Bestands – eine bedeutsame Investition in die Zukunft. Insbesondere Familienunternehmen benötigen eine zukunftsfähige, nachhaltige Immobilie, denn sie fühlen sich besonders nachfolgenden Generationen verpflichtet und brauchen enkeltaugliche Investments.
Die Führung bestimmt die Unternehmenskultur
Wie innovativ eine Organisation letztlich ist, hängt auch von der Unternehmenskultur ab. Schließlich beeinflusst die Kultur maßgeblich die Loyalität, Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden und somit den Erfolg des Betriebs. Die Kultur wird gespeist durch das vorgelebte Verhalten von Führungskräften und ihre erkennbare Freude an dem, was sie tun. Die Führung prägt das Mindset und das Wertegefüge des Unternehmens und die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen und arbeiten. In Familienunternehmen sind die Mitglieder der Unternehmerfamilie VIPs, Very Important People. Sie werden von den Mitarbeitenden genau beobachtet und nehmen eine Vorbildrolle ein. Die Belegschaft orientiert ihr Verhalten an den Familienmitgliedern beziehungsweise der Unternehmensführung. Wenn die Realität im Familienunternehmen nicht mit dem übereinstimmt, was die Führung propagiert, sinken das Engagement und die Loyalität der Mitarbeitenden.
Die Verantwortung der Unternehmerfamilie
Ein Familienunternehmen erfolgreich zu leiten, ist heute eine der schwierigsten Aufgaben, denn der Druck hat in den vergangenen Jahren zugenommen und wird weiter steigen. Extern sind es die Globalisierung, der schärfere Wettbewerb, schnell aufeinanderfolgende Krisen, zunehmende Regularien und strengere Regeln für die Kreditvergabe. Intern kämpfen Organisationen mit Führungs- und Innovationsschwäche, misslungenen Nachfolgeprozessen, fehlender Risikokompetenz und dem Fachkräftemangel. Diese Aufgaben gilt es zu meistern, denn für Familienunternehmen ist nicht der kurzfristige Erfolg wichtig, sondern der langfristige Erhalt des Unternehmens für die Familie und die nachfolgenden Generationen und natürlich die Sicherung der Arbeitsplätze loyaler, engagierter Mitarbeitender.
Um ein zukunftsfähiges Familienunternehmen zu führen, braucht es eine Familienstrategie, die ebenso bedeutend und professionell ist wie die Unternehmensstrategie. Die Familie muss wissen, wie die Zukunft des Unternehmens aussehen wird und was sie tun sollte, um diese Zukunft zu sichern. Dazu müssen gemeinsame Werte, Ziele und Regeln aufgestellt werden. Je besser die Familienstrategie ist, desto weniger Probleme wird das Unternehmen haben. Die Familie trägt die Verantwortung für den Erfolg. Zusätzlich zur Familienstrategie ist daher eine Familienverfassung empfehlenswert, die die zentralen Leitlinien des familiären und unternehmerischen Denkens und Handelns festlegt. An diesem internen Rahmen können sich die Familienmitglieder orientieren.
Gewinnermentalität als Weg zum Erfolg
Gewinner stehen an der Spitze, sie haben Erfolg. Doch wie definieren wir Erfolg? Für Familienunternehmen ist Erfolg das Überleben des Betriebs. Familienunternehmen werden gerne als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet, und das nicht ohne Grund. Neun von zehn deutschen Unternehmen sind familienkontrolliert.
88 Prozent von ihnen sind sogar eigentümergeführt. Knapp die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Umsatz sind Familienunternehmen. Viele dieser Mittelständler zählen zu den Hidden Champions, die weltweit in ihrer jeweiligen Nische führend und im Heimatmarkt die Nummer eins sind. Den Erfolg der Hidden Champions wünscht sich jedes Familienunternehmen, aber nicht jedes erreicht ihn. Viele Unternehmen werden wohl niemals zu den Gewinnern zählen. Den Unterschied zwischen Gewinnern und Verlierern sehe ich in der Führung. Wenn ein Unternehmen scheitert, hat die Führung es versäumt, die Firma mit einer robusten Strategie vorausschauend zu leiten und Risiken zu managen, bis es keine Handlungsspielräume mehr gab.
Fazit: Gute Führung macht Familienunternehmen erfolgreich
Gewinnermentalität. Neben der Solidität, Agilität und Resilienz ist es vor allem die Qualität der Führung, die den Erfolg eines Betriebs bestimmt. Worin manifestiert sich die Strategie? Im Handeln ganz sicher. Aber auch in der „Welt“, die Unternehmerinnen und Unternehmer für ihre Mitarbeitenden und ihr Geschäftsmodell schaffen. Der Kosmos eines Unternehmens ist die „Umwelt“, in der Leistung entsteht. Raum, Fläche, Dimension, Gebäude stützen Prozesse und prägen Menschen. Als Vorsitzender des Beirats der Vollack Gruppe weiß ich, wie stark die Macht der Arbeitswelt und ihre Einwirkung auf das Wohlbefinden, die Motivation und die Arbeitsergebnisse der Mitarbeitenden sein kann. Darum sollten auch zukunftsweisende Gebäude ein wichtiger Teil der Unternehmensstrategie sein. Nur wenn es gelingt, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die Mitarbeitenden ihr ganzes Potenzial entfalten können, wird sich Erfolg einstellen.

Unser Gastautor:
Arnold Weissman begleitet die Vollack Gruppe seit Jahren als Vorsitzender des Beirats. Der Experte und Strategieberater veröffentlicht gerade ganz aktuell sein neues Buch mit dem Titel „Familienunternehmen 4.0: 50 Thesen zur Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens“. In diesem Gastbeitrag gibt er kurz vor dem Erscheinen Einblick.
Der erfahrene Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensberater ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Strategieentwicklung, Managementtheorie und Unternehmensführung und zählt zu den gefragten Erfolgsstrategen für international ausgerichtete, inhaber- und familiengeführte Unternehmen. Bekannt wurde er durch seinen strategischen Ansatz der „10 Stufen zum Erfolg“, dem heutigen „System Weissman“, speziell konzipiert für Familienunternehmen mit ihren spezifischen Herausforderungen. Arnold Weissman ist Gründer des Beratungs- und Trainingsunternehmens Weissman & Cie., welches die Wirtschaftswoche wiederholt als „Best of Consulting“ in der Kategorie Strategie auszeichnete. Mit seiner Wissensplattform bietet er zusammen mit anderen Experten relevantes Wissen für die Führung von Familienunternehmen. Als Hochschuldozent gibt Arnold Weissman Impulse für zukünftige Unternehmenslenkerinnen und -lenker.
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