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Le Corbusier und sein Manifest „Fünf Punkte einer neuen Architektur“: Nichts an Aktualität verloren

Die Welt der Architektur kennt viele Meister, aber nur wenige haben diese so geprägt wie der Architekt, Städteplaner und Künstler Le Corbusier (1887–1965). Sein im Jahr 1927 veröffentlichtes Manifest „Fünf Punkte einer neuen Architektur“ legte den Grundstein für eine fundamentale neue Ästhetik und inspiriert noch heute Architekten rund um den Globus. Die wegweisenden Betongebäude von Le Corbusier begründeten den Stil des Brutalismus. Seit 2016 gehören 17 seiner Werke in sieben verschiedenen Ländern und auf drei Kontinenten zum UNESCO-Welterbe, darunter die in den 1920er-Jahren entstandenen Häuser der Stuttgarter Weißenhofsiedlung und die Villa Savoye im französischen Poissy.

Le Corbusier, der 1887 als Charles-Edouard Jeanneret-Gris in einem kleinen Dorf in der Schweiz geboren wurde und mit 77 Jahren in seiner Wahlheimat Frankreich starb, gilt als Autodidakt, der nie ein Diplom erlangte. Dennoch ist es ihm gelungen, die Architektur umfassend und nachhaltig zu beeinflussen. Die wegweisende Schrift „Fünf Punkte einer neuen Architektur“, die er gemeinsam mit seinem Kollegen und Cousin Pierre Jeanneret verfasste, begründete eine neue Art des Planens und Bauens. Dies sind ihre Prinzipien:

  1. Die Pfosten (Pilotis): Ein Raster von Betonsäulen ersetzt tragende Wände und erlaubt so eine freie Raumnutzung.

  2. Die Dachgärten: Flachdächer werden zu bewohnbaren Dachgärten. Die grünen Oasen bieten zusätzliche Freiflächen, schützen das Betondach und verbessern das Mikroklima.

  3. Die freie Grundrissgestaltung: Weg von starren Wänden und hin zu offenen Grundrissen. Le Corbusier brach mit konventionellen Raumkonzepten und schuf großzügige, flexible Räume, die sich den Bedürfnissen ihrer Bewohner anpassten.

  4. Das Langfenster: Horizontale Fensterbänder durchbrechen die nichttragenden Wände, durchfluten die Innenräume mit Licht und öffnen den Blick nach draußen. So entsteht eine nahtlose Verbindung zwischen Innen- und Außenraum.

  5. Die freie Fassadengestaltung: Ohne ihre tragende Eigenschaft kann die Gestaltung der Fassade von der Baustruktur getrennt werden (Vorhangfassade). Fenster lassen sich in beliebiger Länge weiterführen. 

Le Corbusier und die Weißenhofsiedlung Stuttgart: Denkmal für moderne Architektur

Le Corbusier brach mit konventionellen Raumkonzepten, schuf großzügige, flexible Räume, die sich den Bedürfnissen ihrer Bewohner anpassten, und dachte Gebäude offen, transparent und freizügig neu.
Bildquelle: Peter Delius / Alamy Stock Foto

Werke von Le Corbusier: Ikonen der Architektur

Die fünf Punkte liegen Le Corbusiers Konzept der „Maschine zum Wohnen“ zugrunde, die sein gesamtes Schaffen prägte: „Man muss sich nicht schämen, ein Haus zu bewohnen ohne spitzen Giebel, mit Wänden so glatt wie Blech, mit Fenstern, die den Fensterschlitzen einer Fabrik gleichen. Stolz hingegen kann man sein, wenn man ein Haus hat, das so praktisch ist wie eine Schreibmaschine.“ So ließ sich das Wohnzimmer der „Wohnmaschine“ nach dem Vorbild eines Zugabteils mit wenigen Handgriffen in eine Schlafkabine verwandeln. Sein revolutionäres Konzept betonte die Rationalisierung des Wohnraums, die Integration moderner Technologie und die Entstehung eines effizienten, funktionalen und dabei zugleich komfortablen Lebensumfelds.

Herausragende Beispiele seiner Architektur sind neben Weißenhofsiedlung und Villa Savoye weitere Bauwerke, die heute zum UNESCO-Welterbe zählen. Darunter die Unité d’habitation in Marseille, ein Wohnhaus für 1.600 Menschen, die Wallfahrtskapelle Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp und die monumentalen Regierungsgebäude in der Planstadt Chandigarh in Indien, um nur einige zu nennen. An der Ästhetik des Brutalismus scheiden sich die Geister, ebenso wie an der Person Le Corbusiers, der unter anderem als „Verherrlicher des Stahlbetons“ und aufgrund seiner Sympathien für den Faschismus immer wieder auch kritisch gesehen wurde.

Vielfältige Architektur: Le Corbusier als Mosaik aus Solarzellen auf dem Dach eines Gebäudes in der Schweiz

Immer aktuell: Le Corbusier steht für moderne Architektur – im Bild ein Mosaik aus Solarzellen auf einem Gebäudedach im schweizerischen La Chaux-de-Fonds, das sein Porträt zeigt. Veröffentlicht wurde es im März 2024 auf tagesschau.de als „Bild des Tages“.
Bildquelle: EPA

Ein lebendiges Erbe

Bei aller Kritik besitzen Le Corbusiers Gebäude enorme Strahlkraft und seine „Fünf Punkte einer modernen Architektur“ sind noch heute so zeitgemäß wie bei ihrer Veröffentlichung vor fast einhundert Jahren. Hierzu ein paar Gedanken, wie wir als Architekten bei Vollack dieses bedeutende Erbe heute erleben: Die Skelettbauweise, eine Art vertikale Säulenkonstruktion, die nach dem Prinzip der freien Grundrissgestaltung auf tragende Wände verzichtet, ermöglicht eine maximale Flexibilität und Umnutzbarkeit von Gebäuden und Arbeitswelten. Hier kommt der Aspekt der Nachhaltigkeit ins Spiel – nicht nur im Hinblick auf eine flexible Nutzung, sondern auch auf eine Reduktion von Bauteilen und damit von wertvollen Ressourcen. Die von Le Corbusier geplanten horizontalen Fensterbänder verhelfen Gebäudehüllen zu einer prägnanten Fassade und lassen viel Licht ins Innere. Sie bieten zudem ein optimales Verhältnis zwischen Tageslichtausbeute und energetischem Eintrag ins Gebäude – ein weiteres Plus in Sachen Nachhaltigkeit und auch in puncto Klimaschutz. Durchgehende Fensterbänder erlauben überdies flexible Raumaufteilungen. Die von Le Corbusier proklamierte Vorhangfassade wird meist an Gebäuden in Skelettbauweise montiert. Die vorgehängte Fassade umhüllt das Gebäude wie eine Schale und trägt sich damit selbst. Tragstruktur und Außenhaut zu trennen, besitzt viele Vorteile: Diese reichen von einem großen Spielraum bei der Gestaltung über Wärmeschutz und Wärmedämmung sowie Blend- und Schallschutz bis hin zum Energieeinsparpotenzial. Ebenso wie ein begrüntes Dach schützt eine Vorhangfassade die Bausubstanz des Gebäudes vor Feuchtigkeit. In zahlreichen von Vollack geplanten und realisierten Gewerbeimmobilien sind die fünf Punkte und damit das Vermächtnis eines der bedeutendsten Architekten des 20 Jahrhunderts lebendig. 

Fazit: Zeitlose Prinzipien für eine zeitgemäße Architektur

Bekanntermaßen lässt sich nicht nur über Geschmack, sondern auch über Architektur vortrefflich streiten oder sagen wir: angeregt diskutieren. Ganz gleich, wie man zu Le Corbusier als Person und zu seinem architektonischen Welterbe steht: Seine revolutionären „Fünf Punkte einer neuen Architektur“ haben die Art und Weise, wie Menschen über Bauwerke denken, für immer verändert. Auch wenn sich der Visionär Le Corbusier nicht explizit Gedanken über umweltverträgliche Gebäude gemacht haben mag, so lassen sich seine Prinzipien heute auch und gerade im Sinne der Nachhaltigkeit anwenden. Sie ermöglichen einen schonenden Umgang mit Ressourcen und Energie, eine lange Lebensdauer und eine flexible (Um-)Nutzung von Gebäuden, eine hohe Lebensqualität für die Menschen, die in ihnen leben und arbeiten, sowie einen Beitrag zum Klimaschutz. Die zugrundeliegenden Ideen von Funktionalität, Offenheit und Harmonie mit der umgebenden Umwelt bleiben relevant und lebendig in einer sich ständig wandelnden Architekturlandschaft.

Ansprechpartner:

Dominik Fieser

Partner  + Führung Generalplanung Vollack Karlsruhe
Fon +49 721 4768247
dfieser@vollack.de

 

Ansprechpartner:

Heiko Bartle

Consult Architekt Vollack Karlsruhe
Fon +49 721 4768152
hbartle@vollack.de

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